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Wahrheitsdividende (4) – Täuschung ist omnipräsent

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Wir täuschen und lügen häufig. Wie oft in etwa? Vielleicht ständig? Die oft zitierte Zahl von etwa 200 Lügen pro Tag ist allerdings – was eine verlässliche Quelle angeht – nicht nachgewiesen. Also vielleicht auch eine Lüge?

Wissenschaftliche Studien zur Häufigkeit von Lügen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen – abhängig vom experimentellen Setting, der Herkunft der Probanden sowie zahlreichen weiteren Faktoren. Aufschlussreich ist dabei unter anderem, dass wir häufiger lügen, wenn wir daraus einen erkennbaren Nutzen ziehen: Indeed, approximately half of people’s daily deceptions are intended to gain a resource for the self   (DePaulo & Kashy 1998).

Von dieser Feststellung ist es nicht weit zu der Vermutung, dass Lügen am Arbeitsplatz in erhöhtem Maße vorkommen. Schließlich ziehen wir aus unserem Arbeitsplatz unser Gehalt. Und bei zumindest anscheinend erfolgreicher Arbeit eventuell auch einen Bonus. Und tatsächlich bezogen sich 86 % der schwer wiegenden Lügen, die Männer in einer Untersuchung zu Protokoll gaben, auf Job oder Geld.

Es geht also um Wahrhaftigkeit am Arbeitsplatz. Dabei interessiert uns besonders die innerbetriebliche Kommunikation in ständigen Arbeitsbeziehungen. Indes sind entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen nicht sehr zahlreich. Dies bestätigen Carlson et al.: .. much of the prior empirical research … has generally focused on subjects having little or no prior relationship …

Studien zur innerbetrieblichen Kommunikation

Aus den uns zugänglichen Studien zur innerbetrieblichen Kommunikation in ständigen Arbeitsbeziehungen erscheinen folgende besonders aufschlussreich:

Careerbuilder.com 2006 – Befragung von rd. 2.000 Arbeitnehmern

Careerbuilder.com, eine US-amerikanische Job-Plattform, führte 2005 eine Online-Befragung von US-amerikanischen Arbeitnehmern durch. Die Auswertung von rund 2000 Rückläufen ergab, dass knapp 20% der Probanden mindestens einmal pro Woche am Arbeitsplatz lügen.

15% der Probanden gaben an, bei einer Lüge ertappt worden zu sein. Nach den Gründen für die Lüge gefragt, nannten sie:

  • Besänftigung aufgebrachter Kunden (26%)
  • Vertuschung von fehlgeschlagenen Projekten, Fehlern oder Fristüberschreitungen (13%)
  • Erklärungen für unentschuldigtes Fehlen oder verspäteten Arbeitsbeginn (8%)
  • Schutz von Kollegen (8%)
    Selbstdarstellung oder Fehlerabwälzung auf Kollegen (5%)

Die häufigsten Lügen am Arbeitsplatz sind nach der Untersuchung folgende:

  • Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist (20%)
  • Ich muss mal eben in die andere Leitung – oder – Ich rufe sie gleich zurück (16%)
  • Ich hatte mit der Sache nichts zu tun, weil ich nicht am Arbeitsplatz oder weil ich krank war (10%)

William Keep 2009 – Auswertung von Narrativen aus dem Arbeitsalltag

In einer Studie aus dem Jahr 2009 wertete William Keep 64 bezeichnende Berichte von Angestellten aus ihrem Arbeitsalltag aus. Diese Berichte beleuchteten die Motive für Lügen im Arbeitsalltag. Gereiht nach Häufigkeit wurden folgende genannt:

  • Vermeidung von Konflikten oder Konfrontationen
  • Herausstellung der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen
  • Zeitgewinn, damit die Unternehmensziele umgesetzt werden konnten
    Selbstschutz oder Selbstdarstellung

Carol Kinsey Goman 2013 – Fragebogenstudie

Wir kommen hier zurück auf Beitrag 1 unserer Serie. Nach der dort bereits zitierten Fragebogenstudie halten sich Mitarbeiter regelmäßig nicht an die Wahrheit. Sie lügen zunächst, um eigene Fehler zu verdecken. Sie lügen zum zweiten im Interesse ihrer eigenen zeitlichen Prioritäten. Und letztlich lügen Mitarbeiter, wenn ihnen dies im Interesse ihrer Karriere erforderlich erscheint.

Goman geht daneben auf die Sicht der Vorgesetzten ein. Aus der Chef-Perspektive bestehen gravierende Unwahrhaftigkeiten häufig darin, dass wichtige Fakten verschwiegen werden. Zitat aus Gomans Buch: When I talk with managers about the worst kind of lies they hear from their staffs, they often mention lies of omission: There is nothing worse than getting blindsided by a project that has gone off course.

Motive – kurz zusammengefasst

In der Gesamtschau ergibt sich ein doch recht schlüssiges Gesamtbild: Am Arbeitsplatz wird in ständigen Arbeitsbeziehungen aus einer Reihe dominanter Gründe gelogen: zur Fehlervertuschung, zur Konfliktvermeidung, zum Selbst- und Kollegenschutz, aus Karrieregründen. Und: Die Lügenwahrscheinlichkeit steigt, wenn Lügen einen maßgeblichen persönlichen Nutzen erwarten lassen. Gleichzeitig gefährden Lügen aus der Chefperspektive u.U. den Erfolg des Unternehmens.

Also wäre vielleicht zu erwarten, dass die Unternehmensführung es mit der Wahrheit genauer nimmt. Ob das so ist, beleuchten wir im folgenden Beitrag…


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