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Heraklit und Demokrit

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Erst bei näherem Hinsehen und Recherchieren erschließt sich bisweilen die Originalität bildender Kunst. So ging es mir bei Heraklit und Demokrit, ein auf das Ende des 15. Jahrhunderts datiertes Fresko des italienischen Künstlers Donato Bramante. Allerdings stach mir dieses Bild bereits beim Flanieren durch die italienische Kunst des 15. Jahrhunderts sofort ins Auge – in einem der Räume des Museums Brera in Mailand.

Das Motiv Heraklit und Demokrit ist aus antiken Quellen bekannt. Während der Philosoph Demokrit sich lachend über die beschränkte menschliche Natur und die Widrigkeiten dieser Welt erhebt, gerät Heraklit darüber in Trübsinn. Die antiken Quellen, u.a. Horaz und Seneca, sind verbaler Natur. Das älteste überlieferte Bild ist das besagte Fresko von Bramante.

Donato Bramante

Donato Bramante: Christus an der Geißelsäule

Donato Bramante, eigentlich Donato di Pascuccio d’Antonio (* 1444 in Fermignano; † 1514 in Rom), war ein italienischer Maler, Baumeister und Begründer der Hochrenaissance-Architektur. Ab 1479 wirkte Bramante in Mailand. Sein berühmtester Kollege am Mailänder Hof war Leonardo da Vinci. Von Bramante haben vor allem seine architektonischen Werke überdauert. Einem überlieferten, herausragenden Einzelstück seines malerischen Werkes, Christus an der Geißelsäule, werden u.a. Einflüsse der künstlerischen Schule seiner Vaterstadt, flämische Vorbilder und die – an da Vinci geschulte – Studie expressiver Mimik hervorgehoben.

Dieses Bild befindet sich ebenfalls im Museum Brera in Mailand.

Heraklit und Demokrit

Nun aber zu dem Werk, um das es uns geht: Heraklit und Demokrit, einem Werk der Renaissance-Malerei. Das entscheidende bei dieser Epoche war die Wiedererweckung des klassischen Altertums mit seiner antiken Gestalten- und Formenwelt; dennoch blieben die religiösen Aufgaben der Kunst den immer mehr an Bedeutung gewinnenden weltlichen übergeordnet. Werte von Schönheit und Harmonie aus der klassischen Ära wurden wiederbelebt und spiegeln sich in den Renaissance-Werken des Museums Brera. Unter den ganz überwiegend idealisiert dargestellten Körpern und Gesichtern sticht Bramantes Heraklit und Demokrit sofort ins Auge: durch die wie aus dem täglichen Leben gegriffene Darstellung von Heraklit und Demokrit.

Donato Bramante: Heraklit und Demokrit

Originell an diesem Fresko ist zum einen die kartographische Darstellung der Welt als kartographischer Globus, in ihrer damals bekannten Form. Der kartographische Globus könnte die erste Darstellung dieser Art sein.

Das im Hintergrund befindliche Relief verweist auf die Antike. Bramante lenkt also die Betrachtung von Heraklit und Demokrit auf die Welt gestern und heute – durch eine bemerkenswerte ikonographische Verbindung von Globus und Relief.

Links auf dem Fresko befindet sich der deprimierte Heraklit. Demokrit rechts blickt heiter auf die Welt. Er hat eine Hand auf das aufgeschlagene Buch gelegt und will offensichtlich mit seinem Gesprächspartner über das Gelesene diskutieren. Die offene Körperhaltung und die Hand, die auf diesen verweist, laden nonverbal hierzu ein.

Wer aber blickt uns aus dem Fresko tatsächlich entgegen?

Die Bildbeschreibung im Museum Brera erläutert: Die Gesichter sind tatsächlich die des Künstlers, Bramante, und seines Freundes Leonardo da Vinci. Die gekräuselten, fließenden Locken und ausgeprägten, starken Augenbrauen zeigen uns, wer von beiden da Vinci ist.

Auf diesem Bild blicken also Bramante und da Vinci auf die Welt gestern und heute, und zwar in unterschiedlich gestimmter Weise.

Zu gerne wüsste ich, wie die Gespräche zwischen Bramante und da Vinci verlaufen sind, auf die Bramante sich mutmaßlich bezieht …

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