Mal angenommen: Sie sind Marktführer bei Kosmetik-Spezialstudios. Ihre App hat allerdings die denkbar schlechtesten Kundenbewertungen. Müssen Sie tätig werden? Müssen Sie etwas ändern?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie müssen nichts ändern. Zumindest nicht dann, wenn Sie Wax in the City heißen. Denn dann unterstützt ihre App ihr Geschäftsmodell in optimaler Weise – Kundenbewertungen hin oder her.
Seit Jahren sind meine Frau und unsere Tochter überzeugte Kundinnen von Wax in the City. Beide schwören auf das dort verwendete Wachs. Und sie schätzen das Können der Depiladoras als “absolute Enthaarungs-Profis”, wie Wax in the City auf seiner Homepage schreibt . Alles in allem schwören sie auf die gleichermaßen nachhaltige wie Haut schonende Behandlung bei Wax in the City.
Ganz offensichtlich sind meine Frau und meine Tochter nicht die einzigen überzeugten Kunden. Von ungefähr wird man nicht zum Marktführer, wie Wax in the City unwidersprochen auf seiner Homepage schreiben kann. Und das in einem hart umkämpften Marktsegment .
Kosmetiksalons – die Branche
Auf rund sechs Milliarden Euro schätzt das Marktforschungsunternehmen Ibis den Jahresumsatz der deutschen Friseur- und Kosmetiksalons. Die Zahl der Kosmetiksalons nehme – so Ibis – kontinuierlich zu. Gleichzeitig seien aufgrund des starken Preiskampfs und der steigenden Mindestlöhne die Branchenumsätze im Zeitraum von 2013 bis 2018 indes um durchschnittlich knapp ein Prozent pro Jahr zurückgegangen. Und dieser Abwärtstrend habe sich 2018 sogar verstärkt.
Bei diesen schwierigen Rahmenbedingungen der Branche eröffnet Wax in the City weiterhin ständig neue Studios. Und das bei einer katastrophalen Nutzerbewertung für die App.
Die Wax in the City Kunden-App
2,5 von 5 möglichen Bewertungspunkten weist die Wax in the City App im Google Play Store auf. Ich kann mich nicht erinnern, bei irgendeiner anderen App einmal eine derart katastrophale Bewertung gesehen zu haben. Wiederholte Kritik zielt auf die Terminverfügbarkeit. Ständig werde angezeigt: Derzeit kein Check-in möglich. Eine Nutzerin merkt an: “Die App ist völlig nutzlos. Gerade noch zeigte sie 0 Minuten Wartezeit, auf einmal sind es 30 – Planung im Eimer.”
Beim genaueren Hinschauen enthält die App allerdings klare, wenngleich unterschwellige Botschaften an die Kundschaft.
Diese Botschaften lassen sich in einigen Punkten zusammenfassen:
- Lieber Kunde, überlege Dir bitte zunächst genau, welche Waxing Leistungen Du bei uns buchen willst. Nur, wenn wir das von Dir genau wissen, können wir den Zeitaufwand für deine Behandlung verlässlich einschätzen .
- Anschließend reihen wir Dich gern in die Warteschlange ein. Wir machen Dir eine Angabe, in ca. wie vielen Minuten du an der Reihe bist. (Für den nächsten Kunden gilt das natürlich auch. Für den gilt dann Deine Wartezeit plus das Zeitbudget, das für Deine Behandlung veranschlagt ist)
- Feste Termine vergeben wir nicht. Denn dann hätten unsere Depiladoras mitunter Leerzeiten, bis der nächste terminlich eingeplante Kunde kommt.
- Im übrigen rufe uns bitte nicht an. Schließlich müssen unsere Depiladoras ihre Behandlung möglichst ungestört durchführen können. Daher nennen wir Dir, lieber Kunde, auch keine Telefonnummer Deines lokalen Studios.
Erfolgsfaktoren des Wax in the City Geschäftsmodells
Damit sind – wie ich denke – die wesentlichen Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells von Wax in the City bereits beschrieben. Natürlich zählt zunächst ein überzeugendes Konzept für die Leistung am Kunden. In einer personalintensiven Branche wie der Kosmetik geht es dann aber auch um einen optimalen Einsatz des Personals. Schließlich müssen MitarbeiterInnen auch dann bezahlt werden, wenn sie Leerzeiten haben.
Auf seiner Homepage beschreibt Wax in the City das Konzept recht vollständig: “Garantiert ohne Termin – einfach, schnell und bequem! Kommen Sie zu unseren Öffnungszeiten jederzeit ins Studio, wann es für Sie am besten passt! Oder buchen Sie sich per App online für den nächsten freien Zeitslot ein.” Anders ausgedrückt: Reihen Sie sich bitte in die Warteschlange ein – körperlich oder per App!
Ganz offensichtlich gibt es genügend Kunden, denen dieses Konzept entgegenkommt. Zumindest gilt das für Großstädte. Denn nur dort findet man Wax in the City. Dabei ist sehr anzunehmen, dass sich der Erfolg von Wax in the City fortsetzen wird. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein besserer Mitbewerber auftritt. Ein Mitbewerber, der über alle Stärken von Wax in the City verfügt. Und zusätzlich über eine App, die den Wünschen der Kunden stärker entspricht…